Editorial zum Online-Neuerscheinungsdienst "ÜBERDENTAELLERRAND" (NED) März 2016
Die drei Publikationen, die diesmal herausgestellt werden, lassen sich grob den Themenfeldern Nachhaltigkeit, Informationstechnik und Politikberatung zuordnen.
? In der Reihe ?BestMasters? publiziert Springer nach eigenen Aussagen die besten Masterarbeiten, die an renommierten Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz entstanden sind. Eine dieser ausgezeichneten Arbeiten stammt von Sophia Leßmann und behandelt das Thema Determinanten der Nachhaltigkeit: Armut als Einflussgröße des individuellen Nachhaltigkeitsverhaltens (Wiesbaden: Springer Gabler 2016). Diese Masterarbeit wurde an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Fach Betriebswirtschaft eingereicht. Durchaus erstaunlich, angesichts der fast unübersehbaren Menge an Nachhaltigkeitsliteratur, ist es der jungen Autorin offenbar gelungen eine Frage aufzuwerfen, die in der Literatur bislang wenig berücksichtigt wurde, die Frage, ob und inwiefern Armut einen Einfluss auf das individuelle Nachhaltigkeitsverhalten hat. Insbesondere scheint es an entsprechenden empirischen Untersuchungen zu mangeln.
Im Rahmen der Arbeit wurde nun eine solche empirische Erhebung mittels Fragebogen durchgeführt. ?Dabei wurde zunächst darauf geachtet, dass bei der Erhebung des Nachhaltigkeitsverhaltens gleichermaßen die ökonomische, soziale und ökologische Dimension in den Fragenpool eingehen. Im Anschluss daran wurde ein sogenannter Nachhaltigkeitsscore (NaS) entwickelt, um das Nachhaltigkeitsverhalten zu quantifizieren, und abschließend das Einkommen in Zusammenhang mit dem NaS gebracht? (S. 6). ?Die Ergebnisse der Varianzanalyse machen deutlich, dass Einkommen, als Indikator der Armut, einen Einfluss auf das individuelle Nachhaltigkeitsverhalten hat. Insbesondere zeigt die Auswertung der Tukey-Kramer-Konfidenzintervalle folgendes: Zwei Personengruppen, welche unterhalb der Armutsgefährdungsquote liegen, weisen eine signifikant geringere Nachhaltigkeit auf als jene Personengruppe, welche als ?reich? eingestuft wurde. Obwohl dieser Effekt des Einkommens nicht für alle armutsgefährdeten Gruppen nachweisbar ist, kann insgesamt davon ausgegangen werden, dass Armut einen Einfluss auf das individuelle Nachhaltigkeitsverhalten hat? (Vorwort S. XI).
Ob Sophia Leßmann mit ihrer Arbeit die Diskussion um den Zusammenhang von Einkommen und individuellem Nachhaltigkeitsverhalten anregt, und wie die altvorderen Nachhaltigkeitsforscher sich dazu stellen werden, muss sich zeigen. Kommentare zu diesem Blogbeitrag wären eine unaufwändige Möglichkeit, das zu tun. /// Inhaltsverzeichnis: http://d-nb.info/1079353895/04
Die zweite Leseempfehlung trägt den Titel Informatik und Gesellschaft und den Untertitel Festschrift zum 80. Geburtstag von Klaus Fuchs-Kittowski. Herausgegeben wird der Sammelband von Frank Fuchs-Kittowski und Werner Kriesel bei Peter Lang (Frankfurt am Main: PL Academic Research 2016). Er geht zurück auf die Tagung ?Informatik und Gesellschaft?, die zu Ehren Klaus Fuchs-Kittowskis, einem ?Pionier dieses Fachgebietes aus Anlass seines 80. Geburtstages? im März 2015 in Berlin stattfand. Hauptveranstalter waren die Leibniz-Sozietat der Wissenschaften zu Berlin e. V. und die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.
Es ist eine Besonderheit der Disziplin Informatik in Deutschland, dass sie sehr früh schon aus sich selbst heraus das Verhältnis von ?Informatik und Gesellschaft? thematisiert hat. Das ist ein Umstand von dem die Technikfolgenabschätzung zu den Informations- und Kommunikationstechniken immer wieder profitiert hat. So nimmt es auch nicht Wunder, dass die meisten der in dem Band verhandelten Themen aktuelle TA-Themen sind, was der Verlagstext zu diesem Buch verdeutlicht:
?Der Sammelband legt 44 Beiträge mit breitem Themenspektrum vor. Er behandelt den Einfluss von IKT auf die Arbeitswelt, Industriearbeit 4.0, Big Data, Datenschutz und Datenausspähung. Einzelne Beiträge sprechen Umweltinformatik; Informationssystemgestaltung, Softwareentwicklung, Künstliche Intelligenz, Cloud-Computing sowie E-Learning (MOOC) an. Es werden auch künstliche Immunität, Avatare und die sozialen Aspekte behandelt. Ein weiteres Augenmerk liegt auf automatisierter Kriegsführung, hierzu werden insbesondere Ethik, Humanismus und Friedenserhaltung in einer global vernetzten Welt diskutiert" (aus dem Inhaltstext).
Beim Durchgehen des Inhaltsverzeichnisses haben insbesondere die folgenden Beiträge, meinen thematischen Interessen entsprechend, neugierig gemacht. Die Liste soll an dieser Stelle vor allem jedoch das bunte Spektrum der Beiträge vor Augen führen.
- Herbert Hörz: Ersetzen Gehirne auf Nährlösungen den homo faber? - Visionen für eine zukünftige Informationsgesellschaft
- Frank Dittmann: Golem, Homunculus und Robot - Zum Diskurs um künstliche Wesen vor 100 Jahren ?
- Frieder Nake: Die algorithmische Revolution
- David Koschnick: Möglichkeiten und Grenzen der Informatik am Beispiel des Einsatzes von Assistenzsystemen
- Erhard Geißler: 100 Jahre Anthrax - vom «Seuchenmittel» zur «Massenverschwindungswaffe». Die nachhaltige Wirkung von Desinformationen und Fehlinterpretationen
- Peter Schirmbacher: Big Data oder das Management von Forschungsdaten in einer digital geprägten Informationsinfrastruktur
- Hans-Gert Gräbe: Smart Big Data - Perspektiven einer «Ontologisierung der Welt»
- Klaus Lenk: Gedanken zur Gestaltung technikdurchtränkter Arbeitsorganisation
- Werner Kriesel: Zukunftsmodelle für Informatik, Automatik und Kommunikation
- Michael Roth: Immunsysteme in der biologischen, informationstechnischen und sozialen Evolution
Last not least würde mich auch der Beitrag des mit der Festschrift Geehrten stark interessieren:
- Klaus Fuchs-Kittowski: Informatik und Gesellschaft aus meiner Sicht - Politisches und ethisches Denken in der Informatik zur Gewährleistung der Menschenrechte.
Der Band selbst enthält übrigens neben einer Laudatio auch weitere sowohl biografische als auch bibliographische Informationen zu Klaus Fuchs-Kittowski. Wer den Band nicht zur Hand hat, kann über einen Wikipedia-Eintrag einen ersten Eindruck vom ereignisreichen Leben Fuchs-Kittowskis gewinnen. /// Inhaltsverzeichnis: http://d-nb.info/1081833351/04
? Das dritte aus der Märzausgabe des openTA-Neuerscheinungsdienstes herausgehobene Buch ist ein englischsprachiger, von der Bertelsmann-Stiftung herausgegebener Sammelband, der im Titel das geflügelte Wort vom Mann mit dem Hammer, der in jedem Problem einen Nagel sieht, aufgreift, um dann für eine Erweiterung des Werkzeugkastens zu plädieren: ?To the Man with a Hammer??. Augmenting the Policymaker's Toolbox for a Complex World.
Angesichts komplexer globaler Herausforderungen, so die Stoßrichtung des Bandes, müsse sich die Politikberatung und die Art, wie Politik gemacht wird, ändern. Zu diesem Thema, das selbstverständlich auch die TA angeht, lud die Bertelsmann Stiftung Beiträge von 12 Experten aus Deutschland, Großbritannien, der Schweiz und den USA ein, die in dem hier angezeigten Band versammelt sind. Im Vorwort (S. 10f) werden die Beiträge wie folgt eingeführt:
?After an introductory chapter surveying new approaches to augmenting the policymaker?s toolbox, Part I of this book starts with Ian Goldin?s call to invest more effort into systemic risk mitigation as well as Dirk Helbing?s call to build resilient societies. Part II provides alternative tools for a more appropriate understanding of our global economy?s complexity. Paul Ormerod emphasizes the importance of network views for policy-making, and James Glattfelder provides concrete examples of how such network views can shed light on power concentration and financial entanglement. Herbert Dawid and his co-authors present an agent-based model that is capable of informing policymakers about the effects of cohesion policies in the European Union, among other things, and César Hidalgo explains how reframing economics in the language of information and computation can reveal new insights on a country?s growth potential. Finally, Part III addresses policy-making practices: Graham Room calls for agile policymaking, Bridget Rosewell shares her insightful experiences as a former chief economic advisor at the Greater London Authority, and Eve Mitleton-Kelly introduces a methodology for organizational restructuring that is based on complexity science and has already proved successful in many different contexts. ?
Online kann der Band auf einer Webseite der Bertelsmann-Stiftung für nur 99 Euro-Cent erworben werden. /// Inhaltsverzeichnis: http://d-nb.info/1081946717/04
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