Editorial zum Online-Neuerscheinungsdienst "ÜBERDENTAELLERRAND" (NED) November 2015
? Einen Überblick über Gesellschaftsdiagnosen bietet Alexander Bogner in seinem erstmals 2012 erschienenen Buch mit dem entsprechendem Titel: Gesellschaftsdiagnosen. Ein Überblick, das nun in einer zweiten, überarbeiteten Auflage vorliegt. Nach zwei einleitenden Kapiteln zu Gesellschafts- und Zeitdiagnostik und einem weiteren zur ?Dialektik der Aufklärung?, widmen sich die folgenden Kapitel der technologischen Gesellschaft, der Risikogesellschaft, der Sicherheitsgesellschaft, der Bürgergesellschaft, der durchrationalisierten Gesellschaft, der Erlebnisgesellschaft und der Wissensgesellschaft.
Im einleitenden Kapitel (S. 9 ? 25), aus dem nachfolgend zitiert wird, arbeitet Bogner das Gemeinsame von Gesellschafts- oder Zeitdiagnosen heraus: ?Gesellschaftsdiagnosen wollen das Charakteristische einer zeitlich und geografisch abgegrenzten Gesellschaft auf den Punkt bringen.? ?Sie beanspruchen, ein Basisproblem identifiziert, eine Entwicklungstendenz gefunden zu haben, die die Gesellschaft als Ganzes charakterisiert.? ?Zeitdiagnosen sind monofaktorielle Konstruktionen. Sie stützen sich auf die Identifikation eines einzigen, integralen Faktors, der die Differenz zwischen alter und neuer Gesellschaft markiert.? Versteht man Diagnose als Metapher aus dem Bereich der Medizin, die sich auf Gesellschaft übertragen lässt, dann ist auch schon in der Gesellschaftsdiagnose die Therapie als Option des Eingreifens im Sinne eines akut notwendigen oder präventiven Handelns angelegt.
Interessant sind die Bezüge, die sich zur Technikfolgenabschätzung herstellen ließen. Da wäre zum einen der Befund, dass die aktuelleren Gesellschaftsdiagnosen offenkundig den sozio-technischen Wandel thematisieren, was nicht nur bei der ?technologischen Gesellschaft? (Kapitel 4), sondern auch noch bei der ?Wissensgesellschaft? oder ?Risikogesellschaft? zweifelsfrei der Fall ist. Zum anderen dürften Gesellschaftsdiagnosen einen erheblichen Einfluss auf die Problemformulierung und -wahrnehmung im politisch-öffentlichen Raum haben, an den auch die TA ihre Diskursbeiträge adressiert, und der gleichzeitig bedeutsam für das Aufspüren und Entdecken politisch relevanter TA-Themen ist. Drittens ist bei Gesellschaftsdiagnosen und in der TA ein ähnliche narrative Grundfigur zu vermuten, die Diagnose, Vorstellungen wünschenswerter Gesellschaftsveränderungen und Handlungsempfehlungen verbindet.
Ich weiß nicht ob Alexander Bogner vom ITA in Wien schon einmal zum Zusammenhang von Gesellschaftsdiagnosen und TA publiziert hat. Es wäre jedenfalls interessant zu erfahren, wie er diesen Zusammenhang sieht /// Inhaltsverzeichnis: http://d-nb.info/1066265828/04.
? Die nächsten hier vorzustellenden Überblicke sind ganz anderer Art. Es geht um Handbücher für die Praxis. Sie können eine Wissensquelle für diejenigen TA-Projekte werden, die die Folgen von Technologien in konkreten Praxisfeldern und Anwendungszusammenhängen untersuchen. Das Praxisbuch Ethik in der Medizin ist ein Beispiel dieser Art. Es wird herausgegeben von Georg Marckmann, Professor für Ethik, Geschichte, und Theorie der Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München und seit 2012 Präsident der Akademie für Ethik in der Medizin.
Während andere Publikationen eine systematische Einführung in die Medizinethik bieten, will dieses Buch nach eigener Aussage, den handelnden Akteuren ? ausgehend von konkreten ethischen Entscheidungssituationen ? eine praxisnahe Orientierung in ihrem Berufsalltag bieten. Drei Elemente gehören dazu: die handlungsorientierte Einführung in die Grundlagen ethischer Entscheidungen in der Medizin, die praxisrelevante Analyse aktueller medizinischer Diskurse und das Angebot konkreter Lösungsansätze für schwierige Entscheidungssituationen im Alltag der Patientenversorgung.
Insgesamt besteht das Buch aus knapp 40 Kapiteln zu unterschiedlichsten Fragestellungen, darunter so Verschiedenes wie:
- Evidenzbasierte Medizin in der Praxis: Bedarf und Herausforderungen aus ethischer Perspektive,
- Ethische Herausforderungen in der Pflege,
- Überbringen schlechter Nachrichten,
- Umgang mit Suizidwünschen,
- Medizinethische Entscheidungen im interkulturellen Kontext, oder auch
- Präimplantationsdiagnostik (PID).
Für eine TA, die sich mit technisch gestützter Diagnostik oder anderen Medizin- und Pflegetechniken befasst, kann die praxisorientierte Sicht helfen, sich den Anwendungskontext mit seinen Problemen und Konflikten zu erschließen /// Inhaltsverzeichnis: http://d-nb.info/1058465171/04.
? Einen Überblick zu einem ganz anderen Themenfeld bietet Dieter Kochheim in dem bei Beck erschienenen Handbuch Cybercrime und Strafrecht der Informations- und Kommunikationstechnik. Der Verfasser ist Oberstaatsanwalt und Leiter der Zentralstelle für Wirtschaftsstrafsachen der Staatsanwaltschaft (StA) Hannover und hat von 2001 bis 2007 die IuK-Stelle der GenStA Celle und danach die Abteilung für Allgemeine Organisierte Kriminalität der StA Hannover geleitet. Zwischen 2007 und 2012 hat er zudem privat die Website des ?Cyberfahnders? aufgebaut und betrieben (http://www.cyberfahnder.de/index.htm).
Das Werk besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil werden Erscheinungsformen und Geschichte des Cybercrime abgehandelt, im zweiten Teil die strafrechtliche Seite von Hacking, Malware, Botnetzen, Skimming, Phishing und der Underground Economy. Danach werden noch die wichtigsten Probleme des Ermittlungsrechts in Bezug auf das Cybercrime behandelt. Das Werk umfasst rund 700 Seiten, 70 Grafiken, 2.000 Fußnoten, eine Rechtsprechungsübersicht und ein umfangreiches Glossar. Es nimmt für sich in Anspruch:
- eine grundlegende Dokumentation des Cybercrime zu bieten,
- das notwendige technische Hintergrundwissens zu erklären,
- die relevanten materiellen und verfahrensrechtlichen Probleme aufzubereiten, und
- die aktuellen Rechtsprechung und Rechtsentwicklung sorgfältig darzustellen.
Der Verlag nennt als Zielgruppen zwar nur Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte und Rechtsanwälte, TA-Forscher im Bereich der IuK sollten sich aber sicher nicht ausgeschlossen fühlen. /// Inhaltsverzeichnis: http://d-nb.info/1066264244/04.
? Das vierte Buch, das herausgestellt werden soll, blickt zurück ins Mittelalter. Am 16. April 2013 hatte in Erlangen ein Workshop unter dem Titel ?Forming the Future when Time is running short? stattgefunden, aus dem nun der von Felicitas Schmieder, Professorin für Geschichte und Gegenwart Alteuropas an der Fernuniversität Hagen, herausgegebene Band Mittelalterliche Zukunftsgestaltung im Angesicht des Weltendes entstanden ist.
TA-relevant wird der Sammelband, weil er einen fernen Spiegel für heutige Versuche der ?Zukunftsgestaltung? bzw. der Gestaltung von Zukünften bereithält. Zweifellos bedeutete Zukunft im Mittelalter etwas anderes als in unserer modernen Welt, doch zeigt dieser Band, wie stark und in welcher Weise über die vor dem Ende noch verbleibende Zeit und ihre Nutzung nachgedacht wurde. Die Beiträge bewegen sich zwischen dem frühmittelalterlichen Irland und dem spätmittelalterlichen Hussitentum und beschäftigen sich mit Gegenwartsanalysen, Historiographie, Prophetie, Dichtungen, Bildwerken und Bibelkommentaren? (vgl. Inhaltstext). Der Versuch das Moderne im Alten zu erkennen, zeigt sich am Vokabular einiger Beiträge, die Prophezeiungen, Heilserwartung und Eschatologie mit Begriffen wie Zukunftsgestaltung, Reform und Prognose in Verbindung setzen /// Inhaltsverzeichnis: http://d-nb.info/1070835307/04.
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Tanja Sinozic-Martinez | 2 | Vor 1 Jahr |
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Tanja Sinozic | 13 | Vor 2 Jahre |
Dirk Hommrich | 9 | Vor 2 Jahre |