Am 22. Juni 2017 gab die Präsidentin des österreichischen Nationalrats bekannt, dass mit dem ITA und dem AIT ein Dreijahres-Rahmenvertrag für Foresight und Technikfolgenabschätzung abgeschlossen wurde. Damit macht auch Österreich einen großen Schritt in Richtung parlamentarische TA.
International ist TA bekanntlich als Beratung für Parlamente entstanden. Der Ursprung liegt in den USA (Office of Technology Assessment); insbesondere in Frankreich, Großbritannien und Deutschland wurden Mitte der 1980er Jahre die TA-Einrichtungen direkt im oder im Nahebereich des Parlaments eingerichtet. Dieser Weg wurde in Österreich zwar nicht eingeschlagen, dennoch wurde von Seiten der Forschungsstelle für Technikbewertung (FTB) an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, dem unmittelbaren Vorläufer des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung (ITA), frühzeitig der Versuch unternommen, TA für das Parlament anzubieten.
Auf dem Foto v.r.n.l.: Parlamentsdirektor H. Dossi, Abgeordnete R. Lichtenecker, Präsidentin D. Bures, AIT-Vertreterin P. Schaper-Rinkel, ITA-Direktor M. Nentwich am 22. Juni 2017 bei der Pressekonferenz im Parlament in Wien
Credits: Foto by T. Bayer
Die Frühpase
Schon knapp nach ihrer Gründung, im Frühjahr 1990, erarbeitete die FTB im Auftrag des Petitionsausschusses des Nationalrates eine Stellungnahme (zum Bau einer 380-kV-Stromleitung). 1992 ergab sich die zweite Gelegenheit, das Parlament zu unterstützen. Der österreichische Nationalrat beschloss 1991 erstmalig, das Instrument der Parlamentarischen Enquete-Kommission zu aktivierenm und zwar zum Thema Gentechnologie. Die FTB fungierte gleichsam als Sekretariat der Kommission und erstellte ein Gesamtgutachten.
Auf Basis dieser Erfahrungen bemühte sich die FTB verstärkt, auch in Österreich parlamentarische TA zu verankern. 1993 wurde sie als assoziiertes Mitglied in das European Parliamentary Technology Assessment (EPTA) Netzwerk aufgenommen und nahm fortan intensiv am internationalen Austausch gleichgesinnter Einrichtungen teil. Die Nationalratswahlen des Jahres 1994 bedeuteten jedoch einen Einschnitt in den Beziehungen zwischen Parlament und Institut, da alle aktiven TA-UnterstützerInnen unter den Abgeordneten nicht wieder gewählt wurden. Unter der damaligen Institutsleitung verfolgte das ITA in der darauf folgenden Dekade keine aktive Strategie in Richtung Parlament, nicht zuletzt weil zahlreiche Aufträge aus den Ministerien das kleine Team neben den internationalen Projekten ausreichend beschäftigte. Die Kontakte mit dem Parlament beschränkten sich in diesen Jahren auf gelegentliche Auftritte von ITA-MitarbeiterInnen als ExpertInnen in diversen Parlamentsenqueten.
Dynamik ab 2007
Mit dem neuen ITA-Direktor wurde das Parlament ab 2007 wieder auf die strategische Agenda des Instituts gesetzt und mehrere Gespräche mit Abgeordneten, deren inhaltliche Schwerpunkte in den Bereichen FTI, Wissenschaft und Konsumentenschutz lagen, sowie mit der Parlamentsdirektion geführt. In diesen Gesprächen machte das ITA eine Reihe von Angeboten, wie es das Parlament unterstützen könnte. Angeregt durch diese Aktivitäten, fand 2008 auf Initiative der Grünen eine Enquete mit der langjährigen Vorsitzenden des Bundestags-TA-Ausschusses, Ulla Burchard, sowie Armin Grunwald, dem Leiter des TAB statt. Ähnlich wie 1994 wurden jedoch bei den Nationalratswahlen 2008 viele der bis dahin interessierten Abgeordneten nicht wieder gewählt, was einen Rückschlag bei den Bemühungen um parlamentarische TA bedeutet. Dennoch wurde 2009 das ITA vom Ausschuss für Forschung Innovation und Technologie eingeladen, sich und seine Angebote an das Parlament vorzustellen. Im selben Jahr erwähnte übrigens die ?Strategie 2020? des Rats für Forschung und Technologieentwicklung (RFTE) mehrfach ?TA und Parlament?.
Während die Entwicklung auf nationaler Ebene also nur langsam vorankam, wurde das ITA 2010 Teil der European Technology Assessment Group (ETAG), eines Konsortiums unter Führung des ITAS mit einem Rahmenvertrag mit dem Europäischen Parlament, das den Scientific and Technology Options Assessment (STOA) Ausschuss berät. Der Vertrag wurde 2014 erneuert. Insgesamt war das ITA bislang an sieben Studien für das EU-Parlament beteiligt, etwa zu den Themen elektronische Demokratie, Cloud Computing und Nanosicherheit.
Ab 2012 führte das ITA mit der Parlamentsdirektion Gespräche bezüglich einer EPTA-Vollmitgliedschaft, für die im Gegensatz zur assoziierten Mitgliedschaft eine engere Beziehung zum jeweiligen nationalen Parlament nachgewiesen werden muss. 2013 schrieb die Parlamentspräsidentin an die EPTA-Präsidentschaft einen offiziellen Brief, in dem sie die guten und sich entwickelnden Beziehungen mit dem ITA beschreibt und den Antrag auf Vollmitgliedschaft Österreichs in der EPTA stellt. Am 23. September 2013 beschließt der EPTA-Rat schließlich, die Mitgliedschaft des ITA aufzuwerten. Das ITA startete bereits Anfang desselben Jahres die speziell auf das Parlament ausgerichtete Publikationsreihe ?ITA-Dossiers? und bekam im April erneut die Gelegenheit, sich im FIT-Ausschuss zu präsentieren. 2014 nehmen zwei österreichische Abgeordnete an der ?2nd Parliamentary Debate on TA? in Lissabon teil, die im Rahmen des EU-Projekts PACITA organisiert wurde.
Die Machbarkeitsstudie
Mehrere Gespräche zwischen dem ITA-Leiter, gemeinsam mit dem strategischen Partner Austrian Institute of Technology (AIT), und der Parlamentsdirektion führten im Herbst 2014 schließlich zur Beauftragung mit einer Machbarkeitsstudie ?Foresight und TA für das österreichische Parlament?, die 2015 noch durch ein ebenfalls von ITA und AIT durchgeführtes Pilotprojekt zum Thema ?Industrie 4.0? und Anfang 2016 durch eine kleine Studie zu möglichen aktuellen TA-Themen für das Parlament ergänzt wurde. Im Zuge der Machbarkeitsstudie hatte das Projektteam Gelegenheit, über 30 Interviews mit Abgeordneten und Bediensteten der Parlamentsdirektion zu führen, die deren Vorstellungen zu und Bedarf an Beratung im Bereich Foresight und TA dokumentierten. Darüber hinaus traf sich das Projektteam während der eineinhalbjährigen Gesamtlaufzeit insgesamt sieben Mal mit einem extra eingerichteten Beirat, der aus den SprecherInnen aller sechs Parlamentsfraktionen für Technologiepolitik plus Parlamentsdirektor bestand. Das Ergebnis war ein gemeinsamer Vorschlag des ITA und des AIT an das Parlament, wie eine entsprechende Institutionalisierung gestaltet werden könnte.
Im Jahre 2016 übernahm das ITA für Österreich erstmals für ein Jahr die EPTA-Präsidentschaft und organisiert neben dem DirektorInnen-Treffen im April das jährliche Council-Meeting und die Jahreskonferenz in den Räumen des Parlaments.
Der Rahmenvertrag 2017-2020
Basierend auf dem ITA-AIT-Vorschlag und nach einem entsprechenden Präsidialbeschluss des Parlaments bereitete schließlich die Parlamentsdirektion für 2017 erstmalig eine internationale Ausschreibung von Beratungsleistungen im Bereich Foresight und TA vor. Das ITA entschloss sich, gemeinsam mit dem AIT ein Bieterkonsortium zu bilden, gewann die Ausschreibung und erhielt einen dreijährigen Rahmenvertrag für 2017 bis 2020. Dies wurde am 22. Juni im Parlament in einer Pressekonferenz bekannt gegeben (Presseaussendung des Parlaments; zusammenfassendes Video). Das ITA hat nun gemeinsam mit seinem Partner die Aufgabe, regelmäßig Monitoringberichte zu erstellen, die den Abgeordneten halbjährlich einen Überblick über wichtige und parlamentsrelevante neue technische und damit verbundene gesellschaftliche Entwicklungen gibt. Im Bedarfsfall und mit gesonderter Beauftragung innerhalb des Rahmenvertrags werden kurze Vertiefungsstudien zu speziellen Fragestellungen erstellt und kleinere Informationsveranstaltungen für die ParlamentarierInnen organisiert werden.
Das ist ein Meilenstein: für die TA in Österreich, für das ITA, aber auch für die Weiterentwicklung des Parlamentarismus in Österreich!
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