Auch in diesem Jahr werden im Netzwerk Technikolgenabschätzung (NTA) wieder runde Geburtstage gefeiert: das Berliner Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) als Senior wird 35, das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie 25 und die EA European Academy of Technology and Innovation Assessment 20 Jahre alt. Sie nehmen dies als Anlässe zum Feiern: das Wuppertal-Institut hat sein Fest Anfang September unter das Motto ?Making Utopia Possible? gestellt, die Europäische Akademie feiert im Rahmen der NTA7-Konferenz am 16.11.2016 in Bonn, dicht gefolgt vom IZT dann am 24.11.2016 in Berlin.
Diese Trias illustriert die Vielfalt der TA in mehrfacher Hinsicht. Die Gründungsgeschichten der drei Geburtstagskinder sind so unterschiedlich wie ihre institutionellen Hintergründe und die dabei maßgeblichen Personen.
War das Wuppertal-Institut Ergebnis der wissenschaftspolitischen Initiative eines Bundeslandes, so verdankte sich das IZT dem Engagement von Wissenschaftlern, die mit dem damaligen Universitätsbetrieb in Berlin in Bezug auf Zukunftsforschung unzufrieden waren. Die Europäische Akademie profitierte von einer besonderen Interessenkonstellation aus BMBF, dem Land Rheinland-Pfalz und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) vor dem Hintergrund des Bonn/Berlin-Ausgleichs nach dem Wechsel der Hauptstadtfunktion an die Spree.
Entsprechend unterschiedlich waren die beteiligten Personen und ihre Motive: Johannes Rau als damaliger Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Ernst-Ulrich von Weizsäcker als erster Präsidenten des Wuppertal-Instituts, Ossip Flechtheim und Rolf Kreibich als Mitbegründer des IZT, Walter Kröll als damaliger Vorstandsvorsitzender des DLR und Carl Friedrich Gethmann als erster Direktor der Europäischen Akademie, um nur einige zu nennen.
So folgen die drei NTA-Mitglieder auch unterschiedlichen Missionen, arbeiten in unterschiedlichen institutionellen Settings, haben sich seit ihrer Gründung in unterschiedliche Richtungen entwickelt und dabei erfolgreiche Generationenwechsel absolviert. So könnte es erstaunen, dass sie sich (bis) heute ? alle drei sind Gründungsmitglieder des NTA ? gemeinsam unter dem Dach des NTA wiederfinden. Es muss wohl das gemeinsam vertretene Bekenntnis zu Sinn und Nutzen, ja zur Notwendigkeit der TA und zu ihren Zukunftsperspektiven sein, der dies über alle Verschiedenheiten hinweg möglich macht. Der Gedanke der TA bildet eine verbindende Klammer - auch wenn dieser Gedanke sich nicht immer so eindeutig auf den Punkt bringen lässt.
So wird TA bei den drei Geburtstagskindern durchaus in unterschiedliche Forschungs- und Beratungskontexte gestellt: in den Kontext der Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik beim Wuppertal-Institut, in den Kontext der Zukunftsforschung beim IZT und in den Rahmen der Innovationsforschung an der Europäischen Akademie. Dadurch werden jeweils unterschiedliche Facetten der TA akzentuiert, ohne dabei an ihren Kern zu rühren: prospektives Denken in Alternativen, inter- und transdisziplinärer Ansatz, Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven, Orientierung an aktuellen gesellschaftlichen Problemstellungen und einem sich daraus ergebenden Beratungsbedarf sowie die Verankerung in einer ?reflexiven Moderne?.
Der letztgenannte Hinweis könnte auch erklären, warum die 1980er und 1990er Jahre offenbar eine gute Zeit für Gründungen von TA-Einrichtungen waren. Nach dem ?Prinzip Verantwortung? von Hans Jonas (1979) und der ?Risikogesellschaft? von Ulrich Beck (1986) konnten Politik und Gesellschaft nicht im Paradigma einer traditionellen Moderne weitermachen. Das starke Wachstum der TA in jener Zeit darf im Nachhinein durchaus als Antwort auf diese Situation verstanden werden.
Freilich, auch etwas anderes offenbart der Rückblick. Alle drei hier diskutierten Gründungen erfolgten neben dem etablierten akademischen Betrieb oder an seinem Rand. Keines der drei Geburtstagskinder ist in die damals vorhandenen Strukturen des Wissenschaftssystems hinein gegründet worden, alle waren (und sind) sie Sonderkonstruktionen. Zum einen ist dies verständlich, wurde doch mit der Etablierung der TA auch wissenschaftspolitisches und methodologisches Neuland betreten, wofür die etablierten Strukturen nicht zu passen schienen. Zum anderen jedoch darf nicht vergessen werden, dass die Existenz außerhalb der bestehenden und dominanten Strukturen auch prekär und fragil sein kann. Umso mehr ist es ein Anlass zum Glückwunsch, dass unsere drei Geburtstagskinder sich so erfolgreich etabliert haben. Der Glückwunsch ist verbunden mit einem Dank für die kontinuierliche aktive Unterstützung des Netzwerks TA.
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