Hallo TA-Gemeinde, die DFG will Deine Konzeption für einen TA-Fachinformationsdienst wissen ? bist Du darauf vorbereitet?

Publikationsdatum: 30.10.14 12:00    Letzte Aktualisierung: 12.07.18 16:19

Dieser Blogbeitrag handelt von dem Beschluss der DFG, ihre Sondersammelgebiete zugunsten von ?Fachinformationsdiensten für die Wissenschaft? aufzugeben. In den betroffenen Kreisen der wissenschaftlichen Bibliotheken, Fachinformationszentren und Wissenschaftsdisziplinen hat dies eine kontroverse Diskussion ausgelöst. Dieser Paradigmenwechsel berührt die TA-Gemeinde und die Zukunft des openTA-Projektes mehr als es auf den ersten Blick scheinen mag. 

Wer schon einige Jahre in der Wissenschaft tätig ist, hat wahrscheinlich schon vom Begriff der ?Sondersammelgebiete? (SSG) gehört. Davon gibt es 110 in 36 Bibliotheken (Griebel 2014, S. 142).

Deren Themen reichen von den Agrarwissenschaften, der Finnougristik und der Küsten- und Hochseefischerei über die Technikgeschichte bis zur Zeitgenössischen Kunst ab 1945. Ein SSG zu TA gibt es nicht. Die Sondersammelgebiete sollten möglichst vollständig die aktuelle nationale und internationale Literatur des jeweiligen Fachs beschaffen und der Forschung überregional zur Verfügung stellen. Dieses seit 1949 etablierte und von der DFG geförderte System einer verteilten nationalen Forschungsbibliothek für den Spitzenbedarf wird aufgegeben zugunsten von ?Fachinformationsdiensten für die Wissenschaft?.

Das hat eine heftige und kontroverse Diskussion ausgelöst.

Welche Relevanz hat das für die TA-Community und für das DFG-geförderte Projekt Fachportal openTA? Ich denke, eine große!

Doch zunächst, um was geht es in dieser Debatte?

Sammlung oder Vorratshaltung

Die Sondersammelgebiete hatten den Anspruch, einen umfassenden Bestandsaufbau der jeweiligen Spezialliteratur für die Spitzenversorgung in Deutschland vorzunehmen. Dieses Postulat ? so eine Begründung ? sei nicht zu erfüllen und im digitalen Zeitalter auch nicht mehr von Bedeutung (Hätscher/Müller 2014, S. 3). Der neue Fachinformationsdienst gibt den Anspruch der umfassenden Sammlung auf zugunsten einer Orientierung am aktuellen Bedarf der Fachdisziplin.

Dem wurde entgegengehalten, dass man in einer Sammlung, die sich (nur) am aktuellen Bedarf orientiert, lediglich das finden würde, was man in ihr immer schon gesucht habe. ?Dann lenkt die Sammlung die Aufmerksamkeit gerade ab von dem, was einstweilen erst wenig Aufmerksamkeit fand. Wie die Internet-Suchmaschinen bietet sie als belangvoll dann dar, was viele zuvor bereits für belangvoll hielten. So wird sie zu einem Mechanismus, der zukünftiges Neues gerade unwahrscheinlich macht, und das mag in der Unterhaltungsindustrie für einträglich gehalten werden. In der Forschung ist es entschieden systemwidrig.? Die Sammlung würde mit Vorratshaltung verwechselt, würde man sie nur von einer aktuellen Nachfrage her bestimmen (Strohschneider 2012, S. 19, s. a. Mittler 2014, S. 25)

Kein Angebot ohne Nachfrage

Die explizite Nachfrageorientierung, die durch eine enge Kooperation mit den wissenschaftlichen Disziplinen zu erfüllen sei, ist im neuen System der Fachinformationsdienste bei der DFG ein zentraler Fördergrundsatz.

Nachfrage- und Nutzerorientierung klingt erstmal gut. Aber, so wird dem entgegengehalten, wie soll das funktionieren: Sollen die Entwickler der Fachinformationsdienste ihre ?Kunden? nach ihren Wünschen und Vorstellungen fragen, wenn ja, wen genau und wie oft? Sind die Fachgesellschaften die legitimierten Instanzen auf die Bedarfsfrage Antwort zu geben? Wer entscheidet, wenn widersprüchliche Anforderungen formuliert werden oder wenn die formulierten Bedarfe weit über das Machbare hinausgehen? Sind denn die Wissenschaftler überhaupt motiviert, sich mit Fragen der Informationsversorgung auseinander zu setzen? Und käme es nicht bei der Konzeption von Fachinformationsdiensten genau darauf an, eine Balance zwischen aktuellem und langfristigem Informationsbedarf zu finden. Während die aktuell Forschenden zum aktuellen Informationsbedarf sicher etwas beitragen können, sind sie für die Einnahme einer Langfristperspektive vielleicht eher ungeeignet (Depping 2014, S. 7, Griebel 2014, S. 147 f., Mittler 2014, S. 22 ff.).

openTA und die Fachinformationsinteressen der TA-Community

Nun hat die TA kein DFG-finanziertes Sondersammelgebiet hervorgebracht. (Die bei ITAS in den 1990er Jahren erstellte TA-Publikationssammlung wurde nach Aufgabe des Projekts  nicht fortgeführt.) Aber das im Netzwerk TA verankerte DFG-geförderte Projekt Fachportal openTA ? obwohl in einem anderen DFG-Programmbereich finanziert ? hat Bezüge zum DFG-Konzept eines modernen ?Fachinformationsdienstes für die Wissenschaften? und wird sich den dort formulierten Anforderungen stellen müssen.

Es ist sicher schon ein Vorteil des openTA-Projekts, dass es aus der Fachcommunity, dem Netzwerk TA und seiner Arbeitsgruppe IuK entstanden ist. Aber wir sehen auch die Schwierigkeiten, einen dauerhaften und substanziellen Dialog zwischen Fachportalentwicklern und der (potenziellen) Nutzerschaft zu führen. Noch zu Wenige sind bereit, sich dafür zu engagieren. Auch für den geplanten Fortsetzungsantrag bei der DFG benötigen wir über die schon erreichte Unterstützung hinaus, in einem breiteren Umfang Nutzungsideen, nutzungsbasierte Kritik und wertvolle TA-Datenquellen aus den NTA-Mitgliedsinstitutionen.

Als Forum für die Interessen- und Nachfrageartikulation der TA-Fachcommunity kann der openTA-Blog (es gibt eine Kommentarfunktion!), die NTA-E-Mail-Liste,

oder unsere E?Mail-Kontakt-Adresse  dienen.

Als eine zentrale Plattform für solche Diskussion bietet sich auch der nächste (hoffentlich nicht letzte) openTA-Workshop an, der in Kooperation mit der AG IuK des NTA am Vormittag des 25.2.2015 in Berlin (im Vorfeld der Pacita-Konferenz) durchgeführt wird. Dazu mehr demnächst.

Aber merken Sie sich diesen Termin auf jeden Fall schon einmal vor.

geschrieben von Ulrich Riehm | 47426 Aufrufe, 2 Kommentare dfg fachinformationsdienst nta nta ag iuk openta pacita sondersammelgebiet workshop
K R
Der Titel dieses Blog-Beitrags suggeriert eine konkrete Anfrage der DFG. Im Text findet man jedoch nur, dass openTA Bezüge zum DFG-Konzept eines modernen ?Fachinformationsdienstes für die Wissenschaften? hat und sich den dort formulierten Anforderungen wird stellen müssen. Was ist der genaue Hintergrund für diese Frage an die TA-Gemeinde???
Verfasst am 02.11.2014 18:55
Ulrich Riehm
Stimmt schon, die Überschrift ist etwas provokativ. Aber der Hintergrund ist ernsthaft. Die DFG fordert in ihrem neuen Förderprogramm "Fachinformationsdienste für die Wissenschaft" die aktive Beteiligung der Fachdisziplinen. Diese sollen konkret ihre Anforderungen formulieren. Da denkt die DFG natürlich nicht in erster Linie an TA. Nein, die DFG hat sich nicht konkret an die TA-Gemeinde gewendet. Aber das NTA ist mit seinem Projekt Fachportal openTA auch auf diesem Gebiet aktiv und bemüht sich um eine Weiterfinanzierung. Deshalb ist eine Positionierung der "TA-Gemeinde" zu diesen Fragen fast unumgänglich.
Verfasst am 03.11.2014 13:25
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