Editorial zum openTA-Online-Neuerscheinungsdienst „über den TAellerrand“ (NED) April 2021.
Ein Beitrag von Marius Albiez
Die Aprilausgabe des Neuerscheinungsdienstes startet mit einem großen Dankeschön an die Organisator*innen der NTA9! Wir blicken auf tolle Konferenztage zurück, die geprägt waren von interessanten Vorträgen, spannenden Diskussionen und inspirierenden virtuellen Begegnungen. Eine Veranstaltung dieser Größenordnung unter Pandemiebedingungen zu planen und durchzuführen ist ein Kraftakt und verdient besondere Anerkennung! Mit dieser positiven Energie im Gepäck freuen wir uns bereits auf die kommende NTA :)
Im Neuerscheinungsdienst werden drei Werke näher vorgestellt. Diese handeln vom Abschied von der Kohle und dem Auto, entführen die Lesenden in den Weltraum und verbinden die Idee eines Guten Lebens mit digitalen Technologien. Im Zuge der Literaturarbeit sind dem Autor dieses Blogbeitrags außerdem zwei außergewöhnlichere Veröffentlichungen aufgefallen, welche am Ende kurz aufgegriffen werden.
Den Anfang bildet der Sammelband „Abschied von Kohle und Auto?“ herausgegeben von Klaus Dörre, Madeleine Holzschuh, Jabok Köster und Johanna Sittel. Im Zentrum des im Campus Verlag erschienenen Werkes stehen die „sozial-ökologische[n] Transformationskonflikte [rund] um Energie und Mobilität“.
Vor dem Hintergrund derzeitiger ökologischer Herausforderungen sehen die Herausgeber*innen einen Wandel historisch-gesellschaftlicher Konfliktlinien – weg vom industriell geprägten Klassenkampf hin zum „sozialökologischen Transformationskonflikt“. Der Kohleausstieg und die Wertschöpfungskette der Automobilindustrie dienen hier als Fallbeispiele, um aufzuzeigen, „wie sich ökologische und soziale Konfliktachsen gegeneinander verselbständigen“ können. (Inhaltstext)
Der Band enthält acht Beiträge mit unterschiedlichen thematischen und räumlichen Bezügen. Nach einer Einleitung (I) der Herausgebenden erläutert Dörre die bereits beschriebene Verschiebung „vom Klassen- zum sozial-ökologischen Transformationskonflikt“ (II). Daran anschließend nehmen Köster und seine Mitautor*innen energie- und entwicklungsbezogene Konflikte unter die Lupe, welche mit dem Braunkohleausstieg in der Lausitz einhergehen (III). Die Beiträge vier bis sechs beleuchten die Veränderungen des Mobilitätssystems in unterschiedlichen räumlichen Kontexten. So beschäftigen sich Sittel et al. mit dem Konfliktpotenzial „in der Thüringer Auto-und Zulieferindustrie“ (IV), während sich Blöcker mit der E-Mobilität und den verbundenen „Transformationsdynamiken“ in Sachsen befasst (V). Zudem werden „Konflikte um die Zukunft der österreichischen Autoindustrie“ von Wissen et al. diskutiert (VI). Der Sammelband schließt mit Betrachtungen von Kaiser über den Zusammenschluss der Fridays for Future-Bewegung und der Gewerkschaft ver.di im „Bereich Nahverkehr als Exempel ökologischer Klassenpolitik“ (VII) und einer Schlussbetrachtung zu „Machtressourcen und Transformationskonflikte[n]“ (VIII).
Beim zweiten Werk handelt sich um eine Kurzstudie der Kolleg*innen am Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). Dieses wird im Auftrag des Bundestages vom ITAS betrieben und bietet seit seiner Gründung 1990 wissenschaftlich-fundierte Politikberatung zu unterschiedlichen TA-relevanten Themen. Die hier vorgestellte Arbeit beschäftigt sich mit dem „New Space“ und der damit einhergehenden „neue[n] Dynamik in der Raumfahrt“. Die Studie wurde von Sonja Kind, Tobias Jetzke, Lukas Nögel, Marc Bovenschulte und Jan-Peter Ferdinand verfasst und steht kostenfrei zum Download zur Verfügung. Die Kommerzialisierung der Raumfahrt, welche von den Autor*innen als New Space bezeichnet wird, ist in den vergangenen Jahren zunehmend in den öffentlichen Fokus gerückt, nicht zuletzt durch die medienwirksame Inszenierung diverser Tech-Milliardäre wie Elon Musk. Davon ausgehend erhalten Interessierte „einen Überblick über aktuelle Entwicklungen und zukünftige Perspektiven der zivilen deutschen Raumfahrtforschung und -industrie“ (Einleitung). Die Studie ist in insgesamt elf Kapitel gegliedert. Nach einer Zusammenfassung und kurzen Einleitung (Kapitel 1) wird der historische Weg von der staatlich geprägten Raumfahrt in den New Space nachgezeichnet. Hier erfahren die Lesenden beispielsweise, dass seit dem Jahr 2000 rund 22 Milliarden US-Dollar in sogenannte Raumfahrt-Start-Ups investiert wurden (S. 17) – Tendenz steigend. Der Einstieg von Privatunternehmen in die Raumfahrt und die Förderung des New Space haben letztlich auch mit den Handlungsweisen nationaler Raumfahrtagenturen zu tun. Kapitel drei nimmt die Rolle dieser staatlichen Einrichtungen in den Blick und zeigt zentrale Akteure, deren Strategien und Programme auf. Im vierten Kapitel werden die deutsche Raumfahrt und deren Rolle im sogenannten „New-Space-Ökosystem“ beleuchtet, sowohl auf EU- und nationalen Ebene, als auch auf Ebene der Bundesländer. Zudem können sich die Lesenden einen Überblick über die deutsche Akteurslandschaft und deren Standorte verschaffen (siehe Abb. 7, S. 36). Kapitel fünf widmet sich schließlich dem „Weltraummarkt“ und dessen monetären Potenzialen. Anschließend werden die möglichen „Anwendungs- und Geschäftsfelder von New Space“ ausführlich dargestellt (6). Dabei unterscheiden die Autor*innen zwischen bereits etablierten Feldern (6.1), solchen, die sich in der Entwicklung befinden (6.2) (bspw. Tourismus im Weltraum) und jenen, die noch als Zukunftsmusik gelten (6.3) – beispielsweise der Abbau von Rohstoffen. Kapitel sieben beleuchtet die zentralen „Trends, Treiber und Barrieren“ des New Space aus wirtschaftlicher (7.1), technischer (7.2) sowie politischer und rahmenrechtlicher (7.3) Perspektive. Die Spannbreite reicht dabei vom Zugang zu Investitionskapital über die „Serienfertigung“ und Kosteneffizienz bis hin zu Fragen des Datenschutzes. Inhaltlich schließt die Studie mit einer sogenannten SWOT-Analyse und Handlungsfeldern (8). Die Kapitel neun bis elf enthalten die Interviewpartner*innen, die Literatur sowie ein Abbildungs- und Tabellenverzeichnis.
Zum Abschluss wird das aktuelle Werk von Roland Mierzwa näher vorgestellt, welches im Tectum-Verlag erschien. Bereits in der Juni-Ausgabe letzten Jahres griffen wir Mierzwas Überlegungen zur „Empathische[n] Ethik“ als „Entwurf für die Post-Corona-Zeit“ auf. Diesmal nimmt der Autor die Themen „Digitalisierung, Ökologie und das Gute Leben“ in den Blick und beschäftigt sich mit einer „Ethik für digitale Technologien“. Dabei plädiert er für eine „radikalere Armuts- und Verzichtskultur bei dem Gebrauch digitaler Technologien“ (Inhaltstext). Das Buch enthält acht Kapitel. Zunächst startet der Autor mit „grundsätzliche[n] technikethische[n] Überlegungen“. Im zweiten Kapitel werden anschließend die „Ambivalenzen und ethische[n] Probleme“ diskutiert, die mit der Digitalisierung einhergehen. Hierzu zählt Mierzwa beispielsweise „imperiale Lebensweisen“ (2.1.), die „Digitalisierung als Problem für die Demokratie“ (2.2.) sowie „den Frieden“ (2.4.) oder den damit einhergehenden Energieverbrauch (2.9). Im dritten Kapitel beschäftigt sich der Autor mit der „ethische[n] Herangehensweise an die Digitalisierung“. Im Fokus stehen dabei die jeweiligen Verhältnisse von Gerechtigkeit (3.1), Nachhaltigkeit (3.2.) und Verantwortung (3.3.) zur Digitalisierung. Im vierten Kapitel werden unterschiedliche gesellschaftliche Transformationsprozesse behandelt, die der Autor als „Konversionen“ bezeichnet. Mierzwa unterscheidet dabei zwischen „responsibility“ (4.1.), bspw. Änderungen des Lebensstils, „accountability“ (4.2.), bspw. Gemeingüter und „sustainability“ (4.3.). Vor diesem Hintergrund werden auch nachhaltigkeitsbezogene Leitbilder und Bewegungen aufgegriffen, bspw. „Degrowth“ oder „Buen Vivier/Gutes Leben“. Im fünften Kapitel wird der zukünftige Umgang mit digitalen Technologien diskutiert. Dabei bezieht Mierzwa einerseits Vorstellungen mit ein, die bereits in der Nachhaltigkeits-Community bekannt sind, wie bspw. die Idee einer „Reparaturgesellschaft“ (5.1.3.). Andererseits werden philosophische Konzepte des Globalen Südens angesprochen wie das afrikanische „Ubuntu“ (5.3.). Das sechste Kapitel beschäftigt sich schließlich mit dem Verhältnis von „religionslose[m] Christentum und Digitalisierung“ und erörtert unter anderem die Frage: „Geht Spiritualität auch digital?“ (6.3.). Kapitel sieben und acht beinhalten Danksagungen und das Literaturverzeichnis.
Wie eingangs angekündigt, sollen zum Abschluss noch zwei außergewöhnlichere Werke genannt werden: Da wäre zum einen „Auf einen Blick – Technik“ von Joel Levy. Hier werden unterschiedliche Technologien, deren Funktion, Grundbegriffe und Theorien vorgestellt – und zwar kurz und knapp „auf einer Seite erklärt“. Das Spektrum reicht dabei von A wie „Aufzüge“, über G wie „Geoengineering“ bis hin zu Z wie „Zement“. Der andere Band stammt von Samuel Ulbricht und handelt von der „Ethik des Computerspielens“. Im Zentrum steht dabei die Frage: „Kann das Spielen von Computerspielen unmoralisch sein?“ Der Autor untersucht dabei die Handlung des Computerspielens an sich, um anschließend eine moralische Einordnung vorzunehmen (Inhaltstext).
Für die Aprilausgabe des NED wurden aus 306 automatisch selektierten Buchtiteln aus dem Datenbestand der Deutschen Nationalbibliothek insgesamt 25 Buchttitel ausgewählt.
Brandstetter, Johanna (2021): Soziale Frage(n) der Zukunft. Berlin: Frank & Timme (Transposition – Ostschweizer Beiträge zu Lehre, Forschung und Entwicklung in der Sozialen Arbeit).
Breckner, Ingrid; Göschel, Albrecht; Matthiesen, Ulf (Hg.) (2020): Stadtsoziologie und Stadtentwicklung. Handbuch für Wissenschaft und Praxis. 1. Auflage. Baden-Baden: Nomos.
Dörre, Klaus; Holzschuh, Madeleine; Köster, Jakob; Sittel, Johanna (Hg.) (2020): Abschied von Kohle und Auto? Sozial-ökologische Transformationskonflikte um Energie und Mobilität. Frankfurt, New York: Campus Verlag (International labour studies).
Ehlers, Ulf-Daniel; Meertens, Sarah A. (Hg.) (2020): Studium der Zukunft – Absolvent(inn)en der Zukunft. Future Skills zwischen Theorie und Praxis. Wiesbaden: Springer VS (Zukunft der Hochschulbildung - future higher education).
Fechner, Simon (2020): Regulierungsprinzip Effizienz : Maßstäbe und Grenzen einer effizienzorientierten Regulierung im Telekommunikations- und Energiesektor. Dissertation. Universität Augsburg, Augsburg.
Gaess, Wolfgang (2020): Datenschutz mit bewährten Methoden des Risikomanagements. Handreichung. Frankfurt am Main: Fachmedien Recht und Wirtschaft, dfv Mediengruppe (Datenschutzberater).
Gatterer, Harry; Horx, Matthias; Anthes, Daniel (Hg.) (2020): Die Welt nach Corona. Business, Märkte, Lebenswelten - was sich ändern wird. Frankfurt am Main: Zukunftsinstitut.
Grimm, Petra; Zöllner, Oliver (Hg.) (2020): Digitalisierung und Demokratie. Ethische Perspektiven. Stuttgart: Franz Steiner Verlag (Medienethik).
Haase, Hartwig (2020): Genug, für alle, für immer. Nachhaltigkeit ist einfach komplex. Wiesbaden Germany: Springer (Sachbuch).
Hasseln, Lorenz von (2021): Technologischer Wandel als Transformation des Menschen. Forschungsprogramm Transhumanismus. Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien: Peter Lang (Theologisch-philosophische Beiträge zu Gegenwartsfragen).
Hentschel, Anja; Roßnagel, Alexander; Hornung, Gerrit; Jandt, Silke (Hg.) (2020): Mensch - Technik - Umwelt: Verantwortung für eine sozialverträgliche Zukunft. Festschrift für Alexander Roßnagel zum 70. Geburtstag. 1. Auflage. Baden-Baden: Nomos.
Hinrichs, Bernd (2021): Nachhaltigkeit als Unternehmensstrategie. Roadmap für nachhaltiges Wirtschaften und Innovation. 1. Auflage. Freiburg, München, Stuttgart: Haufe Group.
Hollermann, Dinah Elena (2020): Reliable and robust optimal design of sustainable energy systems. Dissertation. RWTH Aachen University, Aachen.
Kind, Sonja; Jetzke, Tobias; Nögel, Lukas; Bovenschulte, Marc; Ferdinand, Jan-Peter (2020): New Space – neue Dynamik in der Raumfahrt. Hg. v. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). Berlin (TAB-Kurzstudie, 1). Online verfügbar unter https://publikationen.bibliothek.kit.edu/1000130986/113333936.
Klaus, Geraldine (2020): Psychologische Determinanten der Akzeptanz von Climate Engineering in Deutschland : Wahrnehmung und Beurteilung neuartiger Technologien. Dissertation. Universität Kassel, Kassel.
Kollert, Christoph; Weidner, Silke (Hg.) (2020): Städte erforschen und Räume gestalten. Cottbus: Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg, IKMZ-Universitätsbibliothek.
Komarnicki, Przemyslaw; Haubrock, Jens; Styczynski, Zbigniew A. (2021): Elektromobilität und Sektorenkopplung. Infrastruktur- und systemkomponenten. Berlin: SPRINGER VIEWEG.
Levy, Joel (2020): Auf einen Blick - Technik. Die wichtigsten Themen auf einer Seite erklärt. Kerkdriel Niederlande: Librero.
Mierzwa, Roland (2021): Digitalisierung, Ökologie und das gute Leben. Eine Ethik für digitale Technologien. Baden-Baden: Tectum Verlag.
Nagel, Melanie; Kenis, Patrick; Leifeld, Philip; Schmedes, Hans-Jörg (Hg.) (2020): Politische Komplexität, Governance von Innovationen und Policy-Netzwerke. Festschrift für Volker Schneider. Wiesbaden: Springer VS.
Reich, Kersten (2021): Wie Ökonomie und Politik die Nachhaltigkeit verhindern. Frankfurt/Main: Westend.
Remele, Kurt (2021): "Es geht uns allen besser, wenn es allen besser geht". Die ethische Wiederentdeckung des Gemeinwohls. Ostfildern: Matthias Grünewald Verlag.
Seyler, Nicolas J. (Hg.) (2020): Sustainability and the occupant. The effects of mindfulness and environmental attitudes on real estate user behaviors. Wiesbaden: Springer Gabler (Essays in real estate research, volume 17).
Stenpaß, Anna (2020): Pendelmobilität und partnerschaftliche Arbeitsteilung. Eine Studie über Geschlechterungleichheiten in heterosexuellen Paarbeziehungen. Wiesbaden: Springer VS (Research).
Ulbricht, Samuel (2020): Ethik des Computerspielens. Eine Grundlegung. Berlin: J.B. Metzler (Techno:Phil).
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