Menschen und ihre (Nicht-)Teilhabe an Mobilität und der Zukunftsplanung

blog.publicationsDate01.10.24 19:35    blog.lastUpdate 01.10.24 20:10

Editorial zum openTA-Online-Neuerscheinungsdienst „Über deN TAellerrand“ (NED) Sommerrückblick: Juni, Juli und August.

Ein Beitrag von Ralf Schneider und Marius Albiez

(Bildquelle: Cover von Ralf Schneider unter Verwendung der genAI Midjourney)

Aufgrund der Urlaubszeit und der überschaubaren Anzahl an Neuerscheinungen, melden wir uns zum Start des Herbstes mit einem gebündelten NED-Sommerrückblick, gespeist aus den Monaten Juni, Juli und August. Diesmal werden 4 Werke näher vorgestellt.

Im Mittelpunkt stehen u.a. zwei Veröffentlichungen zum Thema Teilhabe. Dabei geht es um die politische Partizipation von Jugendlichen im Netz sowie um den Zusammenhang von sozialer Teilhabe und Mobilität. Auch das dritte Werk beschäftigt sich intensiv mit Mobilität, wobei sich der Autor hierbei einer Neuausrichtung der Verkehrsplanung zu einer Mobilitätsplanung zuwendet, während sich der vierte hier vorgestellte Band der Inklusion und ihren Grenzen widmet.

Der Sommerrückblick startet mit dem Sammelband „Soziale Teilhabe und Mobilität“, herausgegeben von Carsten Sommer, Martin Lanzendorf, Moritz Engbers und Tobias Wermuth. Das Werk ist bei Springer VS erschienen.

Titel

Hrg.

Themen

Soziale Teilhabe und Mobilität | Grundlagen, Instrumente und

Maßnahmen einer integrierten

Verkehrs- und Sozialplanung

C. Sommer,
M. Lanzendorf,
M. Engbers,
T. Wermuth

Mobilität und Exklusion, Reallabor, Demographischer Wandel, Armut

Verfügbar via Springerlink:
https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-42536-4


Hintergrund dieses Sammelbandes ist die Überlegung, dass Mobilität essenziell ist, um persönliche Bedürfnisse zu befriedigen und letztlich ein gutes Leben führen zu können. Hierzu gehören beispielsweise Arztbesuche oder der direkte Austausch mit Familie und Freunden. Finanzielle Armut kann Mobilität erschweren, beziehungsweise erheblich einschränken oder gar verhindern, mit entsprechenden negativen Auswirkungen für die Betroffenen. Um den Zusammenhang von Mobilität und sozialer Ungleichheit besser zu verstehen, wurde das Forschungsprojekt „Social2Mobility“ durchgeführt, dessen Ergebnisse den vorliegenden Sammelband speisen (S. 3-4).

Das Buch gliedert sich in vier Teile und umfasst insgesamt 12 Kapitel. Projektgebiet und Fallbeispiel ist die Stadt Ronnenberg bei Hannover. Der Fokus liegt auf den dort lebenden armutsgefährdeten Personengruppen (Kap. 2). Anschließend wird der State of the Art zum Zusammenhang von Mobilität und sozialer Ausgrenzung dargestellt (Kap. 3). Dabei werden auch unterschiedliche Mobilitätsverständnisse sowie deren Dimensionen beleuchtet und mit dem Konzept der „Mobilitätsarmut“ verknüpft (S. 19-21). Schließlich wird der Zusammenhang zwischen Mobilität und sozialer Exklusion ausführlich erläutert und anschaulich dargestellt (siehe Abb. 3.3, S. 31). Der zweite Teil stellt die empirische Grundlage und den im Projekt verfolgten Reallaboransatz in den Vordergrund. Den Auftakt bildet eine „qualitative Studie zum Zusammenhang von finanzieller Armut, Mobilität und sozialer Teilhabe am Beispiel von älteren Menschen und Haushalten mit Kindern“. Beide Gruppen sind besonders gefährdet, von mobilitätsbezogener sozialer Ausgrenzung betroffen zu sein. Die Studie basiert auf insgesamt 30 problemzentrierten Interviews mit Vertretenden dieser Gruppen (Kap. 4). Im anschließenden Kapitel werden die Mobilitätsoptionen, das -verhalten und die -barrieren von armutsgefährdeten Haushalten mit Kindern beleuchtet (Kap. 5). Im sechsten Kapitel werden die Reallaboraktivitäten rund um #mobildabei vorgestellt. Normative Grundlage von Reallaboren ist das Leitbild Nachhaltiger Entwicklung, wobei sich die Forschenden auf ausgewählte SDGs beziehen, etwa auf „no poverty“ (SDG 1) oder „Good Health and Well-being“ (SDG 3) (S. 123). Im Folgenden werden das transdisziplinäre Setting und die Experimente des Reallabors näher beschrieben: Zu letzteren zählen u.a. ein „Quartiersticket“ oder ein „Fahrradkurs im Frauenzentrum“ (S. 130-133). Eine Hauptherausforderung der Reallaboraktivitäten lag laut dem Autor darin, armutsgefährdete sowie weitere bisher nicht eingebundene Gruppen anzusprechen (S. 142). Mit diesem Problem steht #mobildabei wahrlich nicht alleine da. Viele andere reallaborbezogene oder transdisziplinäre Projekte haben mit ähnlichen Schwierigkeiten zu tun, besonders betroffene Personengruppen bedarfsgerecht einzubinden und ausreichend Ressourcen aufzubringen, um eine angemessene Vertrauensbasis zu schaffen.

Der dritte Teil fokussiert auf die Planungsebene. Zum einen geht es um die Operationalisierung von Mobilitätsoptionen in Form eines Indexes, der auch auf Ronnenberg angewandt wird (Kap. 7). Des Weiteren geht es um die Weiterentwicklung von Verkehrsnachfragemodellen mit besonderem Fokus auf armutsgefährdete Personengruppen (Kap. 8). Im vierten und letzten Teil werden schließlich Lösungsansätze erarbeitet, die die soziale Teilhabe fördern. Hier lohnt sich ein Blick in die umfangreiche Synopse (Kap. 10, Tab. 9.3, S. 214-220). Die letzten Kapitel des Sammelbandes beschäftigen sich mit der „qualitative[n] Analyse von ausgewählten Maßnahmen zur Stärkung der Mobilität und sozialen Teilhabe“ (Kap. 10) sowie mit der „Entwicklung und […] Anwendung eines Bewertungssystems zu soziale[n] Wirkungen (Kap. 11). Zum Abschluss werden ein Fazit gezogen und u.a. Handlungsfelder zur Verhinderung von Mobilitätsarmut und Exklusion vorgestellt (Kap. 12).

 

In der zweiten hier vorgestellten bei Springer VS publizierten Neuerscheinung „Mobilitätsplanung. Theorien, Aufgaben und Prozesse“ von Alexander Rammert liegt erneut der Fokus auf Mobilität.

Titel

Autor

Themen

Mobilitätsplanung. Theorien, Aufgaben und Prozesse

A. Rammert

Mobilität, Mobilitätsplanung, Verkehrsplanung, Verkehrsentwicklung, Nachhaltigkeit, Stadtplanung, Verkehrspolitik, Raumplanung, Verhaltensforschung, empirische Sozialforschung

Verfügbar via Springerlink:
https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-43265-2

 

Wenig in unserem Alltag ist so sichtbar, wie der Verkehr mit/in dem wir uns bewegen und oft sind die dabei gemachten Erfahrungen nicht zufriedenstellend. Alexander Rammert stellt in „Mobilitätsplanung“ langjährige Forschungsergebnisse vor und verbindet sie mit Erfahrungen aus Gesprächen mit Menschen im Kontext der Verkehrs-, Raum- und Stadtplanung. Darauf aufbauend beschreibt er ein umfangreiches Konzept zum Umdenken „vom Verkehr als technisches Artefakt zum Menschen als mobiles Subjekt“ (S. V). Der Lesbarkeit geschuldet wurde auf Referenzen zu den verwendeten Gesprächsprotokollen verzichtet, die aber vom Autor angefordert werden können.

Nicht mehr die in der Straßenverkehrsordnung rechtlich geschützte „Flüssigkeit des Verkehrs“ (StVO §45 Abs. 9), sondern die Möglichkeitsräume des Menschen in seiner Mobilität sollten nach Rammert Ausgangspunkt der planerischen Tätigkeiten sein. Damit einhergehend ist ein nicht zu unterschätzender Anstieg der Komplexität von erforderlichen Daten. Zudem ist ein Umdenken der daran zu beteiligenden Disziplinen, Behörden, Planer*innen und Unternehmen notwendig. Mobilität der Gegenwart orientiert sich nicht nur am motorisierten Individualverkehr dessen „Gesetze und Richtlinien und Prozesse im Verkehrsbereich noch aus der Zeit vor der Jahrtausendwende stammen und damit die damaligen Leitbilder eines flüssigen und wachsenden Verkehrs konservieren“ (S. 1). Ein integriertes und integrierendes Mobilitätsmanagement hat nach Rammert das Potential, „Verkehr zu gestalten, bevor er überhaupt entsteht“ und „ein mächtiges Werkzeug im Kampf gegen Klimawandel und Umweltbelastungen“ zu sein (S. 2). Er vertritt eine „grundlegende Transformation, die mit moderneren Leitbildern, wandelnden Rechtsnormen und einer neuen Generation von Planerinnen und Planern einhergeht. Damit öffnet sich aktuell ein Möglichkeitsfenster, um eine grundlegende Neuausrichtung der Verkehrsplanung von der Theorie bis zur Praxis anzugehen, gerechtfertigt durch die weiterwachsende Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ (S. 3).

Rammert beginnt in seinem Band mit den theoretischen Grundlagen von Mobilität, ihrer Erforschung und Einbettung in den Raum sowie subjektiven Faktoren menschlichen Verhaltens. Er betrachtet die Planungsgeschichte des Verkehrs in Deutschland sowie die Planungskulturen und -instanzen und stellt sie europäischen Ansätzen gegenüber. Dem von ihm konstatierten Zentrum von Mobilitätsplanung, dem Menschen, widmet er ein eigenes Kapitel und beschreibt einen Perspektivwechsel von der Technik zum Menschen. Daraus entwickelt er neue und alte, sich verändernde Aufgabenfelder, Fachbereiche und Arbeitsprozesse. Im letzten Kapitel beschreibt er detailliert eine modular aufgebaute Mobilitätsplanung anhand eines Modulkatalogs und flexibler Prozesse, die das Potential haben, sich verändernden realen Gegebenheiten anzupassen.

 

Bei der dritten Veröffentlichung handelt es sich um die Dissertationsschrift von Christine Dietz, die sich mit politischer Online-Partizipation von Jugendlichen beschäftigt. Das Werk „Mobilitätsplanung. Theorien, Aufgaben und Prozesse“ ist im Georg Olms Verlag erschienen.

Titel

Autorin

Themen

Jugend im Netz - Teilhabe und Vertrauen | Eine Analyse politischer Online-Partizipation Jugendlicher

C. Dietz

Politik, Partizipation, Jugendliche, Digitalisierung

Volltext verfügbar über:
https://www.uni-muenster.de/Ebooks/index.php/series/catalog/book/322


Ausgangspunkt der Arbeit ist die Frage, „welche Rolle Vertrauen im Rahmen von politischer Online-Beteiligung von Jugendlichen spielt“ (Klappentext). Die Studie basiert auf Forschungsergebnissen aus dem Projekt „Jugendgerechte Kommunen“, in dessen Zuge Jugendliche, politisch Entscheidende sowie Akteure aus Verwaltung und Zivilgesellschaft zusammengebracht wurden.

Im Mittelpunkt der Studie stehen Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 28 Jahren. Für die Analyse wurde auf einen Mix aus qualitativen und quantitativen Ansätzen zurückgegriffen. Hierzu gehören die Auseinandersetzung mit den für das Forschungsthema relevanten Konzepten und Begriffsverständnissen, Interviews mit Stakeholdern aus der Jugendarbeit sowie Onlinebefragungen mit Jugendlichen (S. 27-29). Für diejenigen, welche sich in ihrer Arbeit mit Jugendlichen beschäftigen, könnte zunächst Kapitel 2 interessant sein. In diesem wird der Jugend-Begriff und die damit einhergehende Jugendphase beleuchtet: „Jugend ist als ein »Übergang, also eine Statuspassage, definiert, die von der unselbstständigen Kindheit in das selbstständige Erwachsenenalter führt. Als entscheidend gilt dabei der Grad der Verselbstständigung« (Hurrelmann und Quenzel 2016: S. 40).“ (S. 31). Des Weiteren werden Kernherausforderungen dargestellt, denen sich Jugendliche gegenübersehen. Hierzu gehören (I) ,Qualifizierung‘, beispielweise im Sinne, dass Jugendliche Bildung erlangen; (II) ,Verselbstständigung‘, also dass Jugendliche Verantwortung übernehmen und (III) ,Selbstpositionierung‘ als Gleichgewicht zwischen „subjektiver Freiheit und sozialer Zugehörigkeit“ (S. 35). Des Weiteren geht Dietz auf die Verhältnisse von Jugend und Digitalisierung sowie von Jugend und Politik ein. Im dritten Kapitel befasst sich die Autorin ausführlich mit der politischen Partizipation. Wer sich weiter für Beteiligungsformen im Netz interessiert, dem sei u.a. ein Blick auf die „Systematisierungsvorschläge von politischen Online-Partizipationsaktivitäten“ empfohlen (Tab. 1, S. 62). Im vierten Kapitel befasst sich Dietz mit der Rolle von „Vertrauen“ für Beteiligungsprozesse und setzt sich u.a. mit den unterschiedlichen Begriffsverständnissen auseinander. Der Kern der Arbeit bildet die empirische Analyse (Kap. 5), in der sowohl die Interviews als auch die Befragungsergebnisse ausführlich und anschaulich dargestellt werden – und die Lesenden nicht zuletzt zum Entdecken und Schmökern eingeladen werden. Im sechsten und letzten Kapitel werden die Ergebnisse reflektiert und die zu Beginn formulierten Hypothesen diskutiert. Ein Kernergebnis ist beispielsweise, dass es „einen tentativ negativen Zusammenhang zwischen denjenigen, die sich online beteiligen, und denjenigen, die Vertrauen in die europäischen Institutionen haben“ zu geben scheint. „Wer sich also stark online beteiligt, weist auch gleichzeitig häufiger ein geringeres Vertrauen in die Institutionen der Europäischen Union auf“ (S. 209).

 

Die vierte Veröffentlichung ist der beim transcript-Verlag erschienene Sammelband „Inklusion und Grenzen“, herausgegeben von Kathrin Blaha, Mai-Anh Boger, Jens Geldner-Belli, Nadja Körner, Vera Moser und Katharina Walgenbach.

Titel

Hrg.

Themen

Inklusion und Grenzen. Soziale, politische und pädagogische Verhältnisse

K. Blaha,

M.-A. Boger,

J. Geldner-Belli,

N. Körner,

V. Moser,

K. Walgenbach

Inklusion, Inklusive Pädagogik, Soziale Ungleichheit, Ausgrenzung, Teilhabe, Bildungspolitik

Verfügbar via transcipt:
https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-7108-7/inklusion-und-grenzen/


Die jahrzehntelangen Bestrebungen, Inklusion theoretisch greifbar und praktisch anwendbar zu machen, sind darauf angewiesen, sich mit dem Innen und Außen sowie ihren Übergängen zu beschäftigen, aber auch darauf, eine „Differenzierung der Analyse in Bezug auf reale, imaginäre und symbolische Räume“ (S. 11) zuzulassen. Inklusion rekurriert immer zugleich auf Exklusion (S. 9) und steht doch „für Teilhabe und Zugehörigkeit, politische Partizipation, Abbau von Barrieren, Anerkennung von Vielfalt oder auch für Transformationserwartungen an Institutionen und Organisationen“. Durch die Beiträge der Autor*innen wird der Blick geschärft sowohl auf Grenzziehungen als auch auf Grenzen, dabei „reduzieren sich die hier versammelten Texte nicht allein auf nationalstaatliche bzw. territoriale Grenzen, sondern richten ihr Erkenntnisinteresse ebenfalls auf epistemische, identitätspolitische oder räumliche Grenzziehungen“ (S. 10). Thematisch konzentrieren sich die Autor*innen auf Inklusion und Grenzen im Feld des Sozialen, des Politischen und des Pädagogischen.

Albert Scherr beschreibt in „Grenzen der Inklusion. Inklusions-/Exklusionsordnungen in der funktional differenzierten Weltgesellschaft“ wie der Inklusionsbegriff in Gesellschaften ohne „klar definierte[n] Grenzen und einer einheitlichen Regelung von Zugehörigkeit […] als gesellschaftstheoretische Artikulation eines kritischen Liberalismus verstanden werden“ kann, „der an der Klärung der gesellschaftlichen Bedingungen interessiert ist, die dazu beitragen, dass Individuen zu selbstbestimmten Antworten auf die Frage nach den Kriterien eines guten und anstrebenswerten Lebens befähigt werden.“ (S. 49 f.). Martina Kaack widmet sich der „Beobachtung auf die Grenze hin. Systemtheoretische Unterscheidungsoptionen als Beobachtungsstruktur für die pädagogische Arbeit an der sozialen Adresse im Kontext von Inklusion/Exklusion und Behinderung“. Dabei wendet sie sich einleitend systemtheoretischen Begriffen zu und stellt davon abgeleitet „für den pädagogischen Praxiskontext als relevant erachtete Unterscheidungsoptionen“ vor, die sie „an Studien und Praxisbeispielen veranschaulicht“, bevor sie sich „einer Reflexion der Funktion sinnsystem-spezifischer Grenzsetzung vor dem Hintergrund von System-Umwelt-Koppelungen sowie den damit einhergehenden Herausforderungen und ihrem Potential unter Berücksichtigung der vorgeschlagenen Unterscheidungsoptionen im Praxisbezug“ zuwendet (S. 57). Katharina Walgenbach geht im dritten Beitrag den Theorien und Erkenntnissen von Pierre Bourdieu im Kontext von Inklusion und Exklusion nach und konstatiert unter anderem, dass er „den sozialwissenschaftlichen Forschungstrend der 1990er zur Untersuchung von Exklusion, Prekarisierung und Ausgrenzung geprägt hat“ (S. 97). Vera Moser und Kathrin Blaha gehen in ihrem Beitrag „Inklusion, territorial gedacht“ der Frage nach, „wie Inklusion als ein menschenrechtliches Gebot auf individuelle wertschätzende Anerkennung (im Sinne Honneths) und größtmögliche gesellschaftliche Teilhabe auf der Ebene der sozialen Interaktion beobachtet werden kann“ (S. 104). Hauke Behrendt möchte bei seinem Blick auf „Sozialphilosophische Perspektiven auf die Grenzen von Inklusion und Teilhabe“ „von den Rändern sprechen“ und gelangt zu dem Ausblick, dass „es um ein normatives Konzept der sozialen Integration“ gehe, wobei es „nicht um faktische, sondern um vernünftige Zustimmung aller Betroffenen“ gehe und den daraus resultierenden Fragen, „welche begründeten Ansprüche auf Inklusion sich aus dieser Einsicht konkret ergeben“ und „welche heute faktisch integrierten weltabhängigen Grenzen von Inklusion“ wir nicht länger akzeptieren“ sollten (S. 136). Barbara Rendtorff widmet sich in ihrem Beitrag den Geschlechterkonstruktionen und thematisiert hinsichtlich der Grenzziehungen bei einer Inklusion die Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei der Verwendung von u.a. Kollektivbezeichnungen und die damit einhergehenden „Einschränkungen, Zuschreibungen und Festlegungen“ (S. 159).

Im zweiten Fokus werden in drei Beiträgen politische Verhältnisse sondiert. Norma Osterberg-Kaufmann nimmt sich der „Demokratie als Rahmen des Aushandlungsprozesses der Grenze zwischen Inklusion und Exklusion“ an und betrachtet dabei explizit die „Genese eines demokratischen Inklusionsbegriffs“ (S. 169). Der Beitrag von Jens Geldner-Belli und Nadja Körner trägt den Titel „Inklusion und die Politisierung der Grenze. Zur Verifizierung der Gleichheit durch die (Werkstatt-)Arbeiter*innen, die keine sind“ und wirft die ein oder andere Frage zu einer „radikaldemokratisch inspirierten Inklusionsforschung“ (S. 213) auf. Mai-Anh Boger nimmt sich u.a. den „Grenzen einer (politischen) Partizipation“ (S. 223) an und nennt ihren Beitrag „Das Politische als unbewusstes sujet“, wobei sie „die Partialität einer jeden Teilhabe bzw. Partizipation aus psychoanalytischer Perspektive“ (S. 242) erkundet.

Als letzter Fokus werden die pädagogischen Verhältnisse behandelt. Benjamin Haas plädiert dafür, „Foucaultsche Perspektiven für die sozialwissenschaftliche Theoretisierung von Inklusion und Exklusion nutzbar zu machen“ (S. 249) und erläutert dies in seinem Beitrag „Die Unmöglichkeit transnormalistischer Explorationen am Beispiel von ›Be:Hinderung‹ und ›Rave‹.  Andreas Walther kommt in „Inklusion und Übergänge im Lebenslauf“ zu dem Schluss, dass beide Prozesse sich „als zwei Seiten der fortlaufenden Herstellung von Teilhabe in ungleichen Gesellschaften verstehen“ lassen, wobei sie „nicht rein institutionell präformierte, sondern vielmehr interaktive Prozesse [sind], in denen sich Übergangssubjekte zu den Zuschreibungen und Adressierungen eingeschränkter Leistungsfähigkeit positionieren“ (S. 288). Im letzten Beitrag des Bandes „Mehr als Meritokratie? Über die Prozessierung von Inklusivität und Exklusivität in Schulkulturen“ von Anja Gibson, Werner Helsper, Merle Hinrichsen und Merle Hummrich wird „Inklusivität nicht im Sinne von sonderpädagogischen Förderdiagnosen, sondern mit Blick auf Teilhabeordnungen betrachtet, die systematisch mit der Exklusivität schulischer Bildung in Beziehung stehen“ (S. 318). Dabei gelangen sie u.a. zu dem Fazit: „Dieses Zusammenspiel von Meritokratie und talentbezogener Distinktion und die damit einhergehenden Prozesse von Inklusion und Exklusion sind aber nicht nur bedeutsam für die Positionierung der Schule im Sozialraum, sondern auch für die Ausgestaltung von Schule als Sozialraum und damit die Prozessierung von Inklusivität und Exklusivität innerhalb der jeweiligen Einzelschulkulturen im Verhältnis zur Schüler*innenschaft.“ (S. 321).

 

Für Sommerrückblick des NED wurden aus 763 automatisch selektierten Buchtiteln (Juni, Juli, August) aus dem Datenbestand der Deutschen Nationalbibliothek insgesamt 52 Buchtitel ausgewählt.

 

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(Bildquelle: Cover von Ralf Schneider unter Verwendung der genAI Midjourney)

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